Dr. Dr. Winfried Schachten
Rechtsanwalt
Rundschreiben vom Juni 2015
Bautzen, im Juni 2015
Unsere Verfassungsbeschwerden zwecks Rehabilitierung der aufgrund Diffamierung als Nazi -
Verbrecher verurteilten Opfer der Entnazifizierungsverfahren in der Sowjetischen Besatzungszone ( SBZ )
zwischen 1945 und 1949.
Seit meinen beiden Rundschreiben, die ich im Oktober 2012 an alle meine Mandanten versendet habe, so kann ich
Ihnen mitteilen, dass das Bundesverfassungsgericht sich immer noch mit den von mir eingereichten
Verfassungsbeschwerden befasst.
Ich rechne mit einem guten Ausgang unserer Verfassungsbeschwerden.
Es geht nicht um Eigentum, sondern um Rehabilitierung der aufgrund von Verleumdungen von den deutschen Kommunisten
als Nazi - Hauptschuldige und Kriegsverbrecher Verurteilten. D.h., es geht um das Potsdamer Abkommen, die
Kontrollratsdirektive 38, Art. 139 GG, die Charta der Menschenrechte, den gesetzlichen Richter und um die Frage,
ob deutsche Richter in dieser Sache überhaupt tätig werden dürfen.
Diese Fragen waren schon Gegenstand des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 27.09.1951, AZ: 1 BvR 70 / 51.
Dieses Urteil füge ich als Anlage diesem Informationsschreiben bei.
In seiner Rede am 02.03.2012 im Badischen Staatstheater in Karlsruhe, die Prof. Dr. Udo di Fabio anlässlich seines
Ausscheidens als Richter beim Bundesverfassungsgericht hielt, legte dieser dar, dass er sich bei seinem Antritt
als Richter beim Bundesverfassungsgericht gefragt habe, ob sich dieser Einsatz überhaupt lohne. Das frage er sich heute nicht mehr.
Heute bin aber auch ich der Überzeugung, dass sich der Einsatz im Blick auf die Erwartungen an das Bundesverfassungsgericht gelohnt hat.
Allerdings habe ich diese Bestätigung noch nicht schwarz auf weiß. Denn nur und erst, was du schwarz auf weiß besitzest, kannst du getrost nach Hause tragen.
Aber meine Erwartungen will ich mit di Fabio wie folgt begründen :
Mit seinem Eigensinn und seinem sturen Beharren auf zu Recht erkannte Verfassungsgrundsätze bewahrt das Gericht
auch vor Verirrungen einer allzu selbstgewissen politischen Meinungsbildung, die die vom Bundesverfassungsgericht zu
Recht erkannten Verfassungsinhalte schon für obsolet gehalten hat.
Zu dieser Problematik gehören Art. 139 GG und die grundlegende Dogmatik hinsichtlich des Verfassungsinhaltes dahingehend,
dass das 1871 in Versailles gegründete kleindeutsche Reich nicht untergegangen ist, sondern dass mit dem Grundgesetz nur
ein Teil des deutschen Staates von 1871 im Sinne des demokratischen Rechtsstaates neu organisiert worden war.
Dasselbe gilt insofern auch für die sogenannte DDR, auf deren Gebiet die Kommunisten mit Hilfe der Sowjetmacht nie ein neues
Deutschland gründen bzw. ausrufen, sondern nur einen Teil dieses deutschen Staates von 1871 in ihrem Sinne neu organisieren konnten.
Mit der sogenannten Wende kam keine Wiedervereinigung - nach dem Bundesverfassungsgericht bestand rechtlich die Einheit Deutschlands
immer -, sondern es erfolgte lediglich ein Regimewechsel im östlichen Teil Deutschlands.
Es konnte deshalb auch nicht die DDR
dem Grundgesetz beitreten.
Nach Art. 23 GG konnten nur die Länder, die nach dem Untergang der DDR
neu geschaffen werden mussten, dem Grundgesetz beitreten.
Nach deren Wiederbeleben und Beitritt war Art. 23 GG obsolet geworden. Denn damit gilt das Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.
Ich verweise hier auf den neuen Text der Präambel des Grundgesetzes aufgrund des Einigungsvertrages vom 31.08.1990
Deshalb konnte und kann sich die heutige Bundesrepublik Deutschland nicht vor der Wiedergutmachung des kommunistischen
Unrechtes drücken mit dem Argument, in der Zeit zwischen 1945 und 1949 habe die Bundesrepublik Deutschland noch gar nicht
bestanden und sei im übrigen deshalb für dieses Unrecht nicht verantwortlich.
So argumentieren könnte nur ein neu gegründeter westdeutscher Staat, der aber vom parlamentarischen Rat nie gewollt war.
Verantwortlich ist vielmehr Deutschland als ganzes, auch wenn sich in Teilen dieses Deutschlands verschiedene Regime gefestigt hatten.
Ist nach dem Beitritt der Bundesländer in der ehemaligen SBZ Art. 23 GG obsolet geworden, so gilt dies jedoch nicht für Art. 139 GG.
Dieser Artikel ist im Grundgesetz verblieben.
Das Gebot der Präambel des Grundgesetzes, ganz Deutschland wieder neu zu organisieren, wie es sich das deutsche
Volk im Rahmen freier Wahlen zu organisieren wünscht, ist deshalb immer unter der Bedingung des Art. 139 GG zu lesen.
Das Spannungsfeld liegt folglich weiterhin zwischen Art. 139 GG und der einheitlichen Organisation Gesamtdeutschlands.
Was ist der Inhalt von Art. 139 GG ?
Der Inhalt lautet:
Die zur Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus erlangten Rechtsvorschriften
werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.
Das heißt :
Besatzungsrecht, das sind das Potsdamer Abkommen, das Kontrollratsgesetz Nr.10 und die Kontrollratsdirektive Nr. 38,
deren Inhalt die Entnazifizierung und Entmilitarisierung ist, aber auch die Rechtsvorschriften der deutschen Behörden
und Länderregierungen, die auf diesem Besatzungsrecht gründen, wie zum Bsp. die Bodenreformverordnungen
der
Länder in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone als Verordnungen zur Verhängung von Vermögensstrafen gegen Nazi -
Hauptschuldige und Kriegsverbrecher gem. Art. VIII Ziffer II. b Kontrollratsdirektive 38, steht weder dem Gesetzgeber
noch den deutschen Gerichten zur Disposition.
D.h., die Bodenreformverordnungen
der Länder in der SBZ sind im Grundgesetz durch Art. 139 verfassungsrechtlich festgeschrieben.
Ohne diese Unterwerfung des deutschen Volkes, dass sich durch seine Führung zwischen 1933 - 1945 in die totale
Niederlage brachte, hätten die westlichen Siegermächte 1949 dem Grundgesetz und der Organisation der Bundesrepublik
Deutschland im westlichen Teilbereich nie zugestimmt.
Dasselbe gilt auch für die Wende
1990.
Die Sowjetunion wie aber auch die Westmächte hätten der Bildung eines einheitlich organisierten Gesamtdeutschlands nie
zugestimmt, hätte sich dieses Deutschland den Rechtsvorschriften, die von den Siegermächten zur Befreiung des deutschen
Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus erlassen bzw. veranlasst worden waren, nicht weiterhin bedingungslos unterworfen.
Das war der Inhalt der 2 + 4 - Verhandlungen bzw. Vertrages.
Die Diskussion um eine neue, durch Volksabstimmung vom gesamten Deutschen Volk legitimierte Verfassung war damit
unterbunden. Denn in einer durch Volksabstimmung legitimierten Verfassung hätte Art. 139 GG sicher keinen Platz
mehr gefunden, was die Siegermächte auf jeden Fall verhindern wollten.
Das ist - und ist allein - die vielgenannte sowjetische Vorbedingung, die aber nicht nur eine Vorbedingung
der Sowjetunion, sondern eine Vorbedingung aller vier Siegermächte war.
Die grundlegende Frage, die sich bei Erhebung unserer Verfassungsbeschwerde wegen gesetzgeberischen Unterlassens bzw.
wegen Gesetzesergänzung stellte, war, ob diese Bedingung auch ein Verbot einer Rehabilitierung derer beinhalte, die
durch Diffamierung der kommunistischen Machthaber in der Sowjetzone zu Kriegs- und Naziverbrechern erklärt worden waren,
wie dies zu suggerieren, vor allem auf politischer Seite, versucht worden war.
Nach langen Überlegungen der rechtlichen Argumente kam UZ zu dem Schluss, dass diese Behauptung eine der tückischen
Verirrungen einer allzu selbstgewissen politischen Meinungsbildung ist.
Zumindest die Westmächte, wie aber auch schon die Sowjetische Militäradministration (SMA) zwischen 1945 - 1949,
wie dann aber auch die Machthaber der Sowjetunion im Stadium deren Untergangs, sahen schon 1945 im Rückgriff auf
menschenrechtliche Rechtsgrundsätze, die zum Inhalt des neu zu organisierenden Deutschlands wurden, zu denen vor
allem auch der Grundsatz nulla poena sine culpa
zählt, die Rechtsgrundlage für ein entnazifiziertes Deutschland.
Man werfe nur einen Blick auf die Reha- Gesetze des nachsowjetischen Rußlands und z.Bsp. auch auf Befehl 139
der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD - Befehl 139) von General Shukow, der in diesem Befehl anordnet:
Die Landräte bzw. die Oberbürgermeister sind dafür verantwortlich, dass alle aufgrund des Befehls 124
ausgesprochenen Beschlagnahmen überprüft werden. Insbesondere ist anzugeben, ob von diesem Befehl betroffene
Personen tatsächlich Aktivisten gewesen sind.
Die bloße Behauptung genügt nicht, sie muss belegt werden.
Die sowjetische Militäradministration ging davon aus, dass Vermögen beschlagnahmt wurde, das der Restitution unterlag.
Dazu gibt es SMAD - Befehl 154 / 181 des Marschalls Sokolowski.
Für die SMAD scheinen nicht rechtmäßige Sequestrierungen damals evident gewesen zu sein.
Klagen zwecks Aufhebung der Beschlagnahmen scheinen häufig gewesen zu sein.
Dazu gibt es ein Schreiben des Vorsitzenden der Kommission für die Beschlagnahmen der SMAD, Wasiljew, an
den Präsidenten der Landesverwaltung Sachsen vom 06.02.1946.
Nach diesem Schreiben ist der Dienstweg insofern einzuhalten, als die Klagen zunächst an die deutschen Behörden
zu richten sind, diese die Klagen bzw. Beschwerden an die örtlichen Kommandanten weiterzuleiten haben,
die dann diese Beschwerden mit deren Stellungnahme an den Chef der Verwaltung der SMA zu senden haben.
In seinem Schreiben an den Vizepräsidenten des Bundeslandes Sachsen vom 11.11.1946 erinnert der Stellvertreter
des obersten Chefs der SMAD , Generaloberst Kurotschkin, daran,
dass sich wirklich bei den deutschen Gerichten im Bundesland Sachsen eine gewisse Anzahl von Zivilklagen
Deutscher befinden, in welchen sie von den örtlichen Behörden Zurückerstattung ihrer im Jahre 1945 konfiszierten
Sachen, Wertgegenstände und anderen Vermögenswerte fordern.
Wie Ihnen bekannt ist, hat die Landesverwaltung Sachsen zwecks Regelung obiger Frage eine besondere Verordnung erlassen,
nach der es den Gerichten verboten ist, den Klagen der Deutschen betreffs Rückgabe konfiszierter Gegenstände oder
Vermögenswerte stattzugeben. In der oben erwähnten Verordnung ist festgestellt worden, dass Klagen oder Anträge der
Deutschen auf Rückgabe widerrechtlich konfiszierter Gegenstände oder Vermögenswerte auf administrativem Wege erledigt
werden, und dass ein Gerichtsverfahren in diesen Fällen ausgeschlossen ist.
Das administrative Verfahren, welches in der oben erwähnten Verordnung des Bundeslandes Sachsen festgesetzt worden ist
zur Erledigung ähnlicher Klagen und Anträge, wird für richtig befunden. Man hat sich in Zukunft nach derselben zu richten
und es besteht keine Veranlassung zur Herausgabe irgendwelcher neuer Verordnungen in dieser Angelegenheit.
Der Vizepräsident der Landesverwaltung Sachsen - Wirtschaft und Arbeit, Selbmann, ermahnte daraufhin in seinem Schreiben
an die Landräte und Oberbürgermeister vom 14.Februar 1946 diese,
Die anliegende Anweisung der SMA lediglich für den Dienstgebrauch weiter zu geben, nicht also öffentlich bekannt
zu machen, da sonst diese öffentliche Bekanntmachung der Anstoß sein würde für eine umfangreiche Einspruchskampagne der
von der Beschlagnahme betroffenen Personen.
Wieso die Gerichte angesichts des Gesetzestextes und der dargestellten Sach- und Rechtslage das materiellrechtliche
Entnazifizierungsrecht bei Auslegung des Strafrechtsrehabilitierungsgesetzes ausschließen und die Rehabilitierungsfälle
durch teleologische Reduktion auf Strafverfahren im
rechtstechnischen Sinne
richtiger- oder fälschlicherweise beschränken bzw. beschränken müssen, ist nur von Art. 139 GG und der Gesetzgebung der
Besatzungsmächte bzw. der in deren Auftrag handelnden Länder her zu beantworten.
Die Gesetzesbegründung betreffend § 1 Abs. 5 StrRehaG ist nur von Art. 139 GG her zu verstehen.
Er verbietet eine Rehabilitierung bei mangelndem Ausschluss wirklicher Kriegsverbrecher und Naziaktivisten aus dem
Normbereich des StRehaG etwa durch eine vorangegangene Würdigkeitsprüfung analog zu § 1 Abs. 4 EALG.
So hat - wie früher schon dargelegt - das Berliner Kammergericht die Verfahren der Waldheimprozesse für null und nichtig
erklärt, aber gleichzeitig betont, dass damit die Betroffenen nicht schon rehabilitiert sind. Denn auch wirkliche Nazi -
Aktivisten waren Opfer dieser Prozesse, weil auch diese einen Anspruch auf einen fairen Prozess haben.
Dadurch wird aber auch verständlich, dass die Gerichte aus der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 5 StrRehaG, wo nur Fälle
der DDR genannt sind, und aus dem Zusammenhang der Rehabilitierungsgesetze schließen, dass die Betroffenen im Rahmen der
Entnazifizierungsmaßnahmen, die Opfer der Missachtung des Rechtsgrundsatzes
nulla poena sine lege
sind, gerade entgegen dem Wortlaut des Strafrechtsrehabilitierungsgesetzes nicht unter dieses fallen sollen.
Dies entspricht sicher dem Willen des Gesetzgebers, weil er -fälschlicherweise- meint, dazu durch Art. 139 GG verpflichtet zu sein.
Denn, wenn dies stimmen sollte, handeln die Richter nicht gesetzeswidrig, weil sie gegen die Verfassung (Art. 139 GG)
und gegen den Willen des Gesetzgebers, der dem Grundgesetz (Art. 139) verpflichtet ist, nicht erkennen dürfen.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Gesetzgeber mit dieser Rechtsauffassung gegen das verfassungsrechtlich verankerte Übermaßverbot verstößt.
Denn in der Folge wird § 1 Abs. 5 StrRehaG als grundsätzlich verfassungswidriges Gesetz von den Gerichten angewandt,
(nämlich unter Verletzung von Art. 1, 2 u. 3 GG und des Grundrechtes auf effektiven Rechtsschutz), weil es die im Rahmen
der kommunistischen Entnazifizierungsverfahren sine culpa Verurteilten von der Rehabilitierung ausschließt, was aber in
der Tat unbeachtlich wäre, wenn dies durch Art.139 GG zwingend gefordert ist.
Denn nach Art. 139 GG werden die zur Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus
erlassenen Rechtsvorschriften von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.
Eine Berührung des Art. 139 GG wird aber zu verneinen sein, weil, wie oben dargelegt, es auch schon die SMA in ihren
Befehlen als nicht akzeptabel fand, dass unschuldig als Nazi - Verbrecher Verurteilte und durch Vermögensentzug
Bestrafte nicht rehabilitiert werden und deshalb ihr Vermögen nicht zurückerstattet bekommen.
Hier ist dann in der Tat das Bundesverfassungsgericht berufen, den Gesetzgeber zu verpflichten, durch eine
verfassungskonforme und Art. 139 GG nicht verletzende Gesetzesergänzung oder Klarstellung des
Strafrechtsrehabilitierungsgesetztes oder des Verwaltungsrehabilitierungsgesetz deren Anwendung für die Gerichte zu ermöglichen.
Durch die Rehabilitierung der durch Diffamierung als Nazi - Aktivisten und Kriegsverbrecher zu Vermögensstrafen
(= Anwendung der Bodenreformverordnung) Verurteilten sind die Bodenreformverordnungen der Länder bzw. Art. 139 GG nicht
berührt, d.h. nicht angegriffen und nicht in Frage gestellt.
Gerichtsentscheidungen - BVerfG
Fall:
Spruchkammer
Fundstellen:
BVerfGE 1, 5; NJW 1952, 20
Gericht:
Bundesverfassungsgericht
Datum:
27.09.1951
Aktenzeichen:
1 BvR 70/51
Entscheidungstyp:
Beschluss
Entscheidungen, die aufgrund der Rechtsvorschriften zur Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus
ergehen, können mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochten werden.
Beschluss
des Ersten Senats vom 27. September 1951 gemäß § 24 BVerfGG
– 1 BvR 70/51 –
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des J. N.
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
Der Beschwerdeführer begehrt mit der Verfassungsbeschwerde die Aufhebung des Spruches der Berufungskammer M. vom 16. Februar 1951,
durch den er in die Gruppe der Belasteten eingestuft worden ist. Ferner beantragt er, den Art. 13 a des bayerischen Gesetzes zur
Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 in der Fassung des Abänderungsgesetzes vom 16. Oktober 1947
(Bayer. GVBl. 1946 S. 145,1947 S. 193) für nichtig zu erklären. Er rügt in beiden Fällen die Verletzung des Art. 3 GG.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Spruch der Berufungskammer M. vom 16. Februar 1951 richtet, ist sie schon deshalb
unzulässig, weil dieser Spruch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht – dem 17. April 1951 –
wirksam geworden ist. Nach allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts gelten neue Verfahrensvorschriften auch für anhängige
Verfahren; sie werden in der Lage, in der sie sich beim Inkrafttreten der neuen Vorschriften befinden, von diesen ergriffen und
nach ihnen weitergeführt. Verfahren hingegen, die beim Inkrafttreten des neuen Gesetzes nach den bisher geltenden Verfahrensvorschriften
bereits rechtskräftig abgeschlossen waren, werden von den neuen Vorschriften nicht mehr berührt, es sei denn, daß besondere
Übergangsbestimmungen dies anordnen (vgl. Bayer. VGH in VerwRspr. 1 Nr. 20, 22; Württ.-Bad. VGH in VerwRspr. 1 Nr. 60; RGZ 110, 370;
Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1950, S. 124; Rosenberg, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 4. Aufl., § 6 I).
Die Verfassungsbeschwerde ist für die Bundesrepublik Deutschland erstmals durch das am 17. April 1951, in Kraft getretene Gesetz
über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 – BVerfGG – (BGBl. I S. 243) eingeführt worden. Das Grundgesetz kennt sie noch
nicht. Die Verfassungsbeschwerde ist kein zusätzlicher Rechtsbehelf für das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten oder Verwaltungsgerichten.
Sie ist dem Staatsbürger als besonderes Rechtsschutzmittel zur prozessualen Durch-setzung der Grundrechte oder der diesen gleichgestellten
Rechte gewährt. Daher gelten die eingangs dargelegten Grundsätze auch für die Verfassungsbeschwerde gegen die rechtskräftige Entscheidung
eines Gerichts, da eine abweichende Übergangsregelung nicht getroffen ist. Eine Übergangsbestimmung ist insbesondere nicht aus dem § 93 Abs.
I BVerfGG zu entnehmen. Nur § 93 Abs. 3 BVerfGG gewährt eine Verfassungsbeschwerde mit rückwirkender Kraft insoweit, als es sich um eine
Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz handelt, das vor dem 1. April 1951 in Kraft getreten ist. Somit ist eine Verfassungsbeschwerde gegen
rechtskräftige Entscheidungen eines Gerichts nur zulässig, wenn diese nach dem 16. April 1951 wirksam geworden sind.
Was die wegen des Art. 13 a des genannten Gesetzes erhobene Verfassungsbeschwerde betrifft, so ist sie auf Grund des Art. 139 GG unzulässig.
Danach werden die zur "Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus" erlassenen Rechtsvorschriften von den
Bestimmungen des Grundgesetzes nicht berührt. Für den Art. 13 a gelten mithin nicht die Schranken, die durch Art. 1 Abs. 3 und Art. 19 GG
errichtet sind. Die in Art. 139 GG genannten Befreiungsgesetze sind demnach an keine Übereinstimmung mit den Grundrechten gebunden.
Sie unterliegen somit nicht der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts auf ihre Verfassungsmäßigkeit. Der Verfassungsrechtsweg ist
für Eingriffe auf Grund dieser Gesetze daher ausgeschlossen.
Die Verfassungsbeschwerde ist deshalb gemäß § 24 BVerfGG zu verwerfen.